Zur Reflexion über und zur Gestaltung von Partizipation hat sich (zu Recht) eine eigene, administrative und wissenschaftliche, Fachlichkeit herausgebildet. Sie findet im Projekt zu den Erfolgsfaktoren lokaler E-Partizipation ihren Ausdruck, das Wissenschaft und Verwaltungspraxis in einen Dialog bringt.
Doch wenn wir über Erfolgsfaktoren sprechen und sie identifizieren wollen, dann ist die Frage ja naheliegend, ob wir uns denn über die Definition des „Erfolgs“ klar und einig sind. Und diese Frage ist umso relevanter, wenn wir erst ermitteln müssen, wie weit das Handlungsfeld flächig etabliert ist und wie breit überhaupt Erfolgserwartungen vorhanden sind. Was sollte die – wissenschaftliche und administrative – Fachlichkeit in diesem Handlungsfeld dann leisten? Vor welchen Hürden steht sie? Und: birgt sie womöglich auch Gefahren?
In den Räten stehen sich oft voraussetzungslos befürwortende Positionen „für mehr Beteiligung“ und eine skeptisch-distanzierte Haltung mit Blick auf die eigene Rolle als Ratsmitglieder gegenüber. Dabei scheiden sich die Geister oft an der Frage der Legitimation. Sehen die einen die Beteiligung als notwendige Stärkung der angegriffenen Legitimation des repräsentativen demokratischen Systems, sehen die anderen gerade darin eine Schwächung und willkürliche Prozesse, denen es selbst an Legitimation fehlt.
Vor Ort ist die Wahrnehmung des Bedarfs einer eigenen Fachlichkeit zur Beteiligung nicht sehr ausgeprägt und selten Gegenstand der Debatte. In den Räten stehen sich oft voraussetzungslos befürwortende Positionen „für mehr Beteiligung“ und eine skeptisch-distanzierte Haltung mit Blick auf die eigene Rolle als Ratsmitglieder gegenüber. Dabei scheiden sich die Geister oft an der Frage der Legitimation. Sehen die einen die Beteiligung als notwendige Stärkung der angegriffenen Legitimation des repräsentativen demokratischen Systems, sehen die anderen gerade darin eine Schwächung und willkürliche Prozesse, denen es selbst an Legitimation fehlt.
Die sich für Partizipationsprozesse Engagierenden oder gar Beauftragten in den Verwaltungen wiederum positionieren sich nicht selten ebenfalls in der Weise, dass sie Partizipation als ein unter ethischen Fragen der Gerechtigkeit gefordertes und zur Stärkung der Demokratie anzuwendendes Instrument sehen, für dessen Ausweitung und (technische) Umsetzung sie berufen sind.
Dabei gehörte es zur Rolle der Fachlichkeit vor Ort, die Zielstellungen, Möglichkeiten und Grenzen der Partizipation zu vermitteln und in jedem konkreten Prozess der Entscheidung über die Anwendung und die Formen der Beteiligung zur Grundlage zu machen. Wäre dies der Fall, stünde die oben angesprochene Frage der Legitimation gerade nicht im Zentrum der Debatte. Es wäre vielmehr den Beteiligten präsent, dass „Stärkung der Legitimation“ das am schwersten zu erreichende Ziel eines Beteiligungsverfahrens ist. Denn selbst dort, wo es sich gar nicht mehr um Beteiligung, sondern um direkte Demokratie handelt, wird diese nicht automatisch als legitimatorisch stärker als eine Ratsentscheidung gesehen. In den Verfahren der Beteiligung wiederum ergibt sich bezüglich der Legitimation das Dilemma, dass im Falle der Abweichung des Ratsbeschlusses vom Beteiligungsvotum oder bei einem Verzicht auf ein klares Votum, die Legitimation der nachfolgenden Entscheidung angegriffen wird. Entspricht dagegen die Entscheidung dem Votum, und dieses war kontrovers und nicht einheitlich, gerät das Beteiligungsverfahren als „eigentliche Entscheidung“ ins Zentrum der Legitimationsdebatte. Tatsächlich kann also Partizipation in der Praxis tatsächlich selten Legitimation stärken. Legitimation sollte – entgegen der Debattenlage in den Räten – deshalb als Ziel gerade nicht Ausgangspunkt für das einzelne Beteiligungsverfahren sein.
Anknüpfen sollten partizipatorische Verfahren eher an den drei anderen möglichen Zielen der Beteiligung: Akzeptanz, Qualität und Aktivierung. Was dabei tatsächlich im Einzelfall im Vordergrund steht und als realistisch erreichbar einzuschätzen ist, sollte Grundlage der Entscheidung über die Eröffnung eines partizipativen Prozesses und des Designs des Beteiligungsverfahrens sein. Dafür braucht es – neben der Durchführung des Verfahrens selbst – Fachlichkeit.
Dabei dürfen die Etablierung und Akzeptanz einer eigenen Fachlichkeit zur Partizipation nicht den Blick darauf verstellen, dass der Ausgangspunkt für Beteiligung das Ziel jenseits der Partizipation selbst sein sollte, d.h.:
- eine höhere Akzeptanz für das beabsichtigte Projekt oder die politische Agenda
- eine bessere Qualität der Entscheidung oder der Planung,
- eine Aktivierung von Menschen über den Planungs- und Entscheidungsprozess hinaus für eine bessere Umsetzung oder Implementation
Mit der Zumessung eines Eigenwerts der Partizipation und insbesondere mit den politischen Zielen der Inklusion verschiedener Gruppen und der Stärkung von Selbstwirksamkeit werden diese Dimensionen zu eigenständigen politischen Programmsetzungen, die neben die Ziele der Stadtentwicklung, des Wohnungsbaus, der Arbeitsmarkt- , Verkehrs-, Bildungs-, Umwelt-, Jugend-, Sozial-, Wirtschaftspolitik etc. treten. Ressourcen werden dann nicht dafür investiert in diesen Handlungsfeldern die Ziele der Partizipation und Inklusion zur realisieren, sondern eigene Projekte zu realisieren, die sich umgekehrt der Handlungsfelder nur „bedienen“.
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Peter Kurz
Oberbürgermeister a.D.
Peter Kurz (* 6. November 1962 in Mannheim) ist ein deutscher Politiker der SPD und war von 2007 bis 2023 Oberbürgermeister von Mannheim. Nach seinem Studium der Rechtswissenschaften in Mannheim und Heidelberg sowie seiner Promotion arbeitete er zunächst als Richter am Verwaltungsgericht Karlsruhe. In der Kommunalpolitik war er unter anderem als Stadtrat und Bürgermeister für Bildung, Kultur und Sport in Mannheim tätig, bevor er 2007 zum Oberbürgermeister gewählt wurde. Während seiner Amtszeit setzte er sich besonders für die Themen Bildung, Kultur, Digitalisierung und internationale Kooperationen ein.
Kurz engagierte sich stark im internationalen Kontext, insbesondere durch seine Mitwirkung an der Gründung des Global Parliament of Mayors und durch sein Engagement für die Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele auf lokaler Ebene. 2021 wurde er für seine internationalen Verdienste mit dem World Mayor International Award ausgezeichnet.