Im Oktober fand in Den Haag die Digital Democracy Conference statt – ein europäischer Treffpunkt für Fachleute aus Verwaltung, Politik, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Technologieentwicklung. Die Konferenz bot vielfältige Einblicke in aktuelle Debatten rund um digitale Demokratie – mit besonderem Fokus auf Rahmenbedingungen, die notwendig sind, um digitale Technologien im Sinne demokratischer Teilhabe zu gestalten und einzusetzen.
Expert:innen aus verschiedenen Bereichen diskutierten, welche rechtlichen, ethischen und technischen Voraussetzungen notwendig sind, um demokratische Prozesse mithilfe digitaler Werkzeuge zugänglicher, transparenter und inklusiver zu machen. Dabei wurde deutlich: Es geht nicht nur um Tools, sondern um Vertrauen, Transparenz, Verantwortungsbewusstsein und die langfristige Gestaltung demokratischer Infrastrukturen.
Künstliche Intelligenz in der Bürgerbeteiligung – Chancen und Herausforderungen
Besondere Aufmerksamkeit galt dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz in Beteiligungsprozessen. Viele Projekte an der Schnittstelle zwischen Praxis und Wissenschaft untersuchen, wie KI genutzt werden kann, um Beteiligung niederschwelliger zu gestalten und testen Tools, die die Teilnehmenden unterstützen, ihre Positionen zu vermitteln. Gleichzeitig sollen die Ergebnisse aus analogen und digitalen Beteiligungsformaten für Verwaltung und Politik besser aufbereitet und nutzbar gemacht werden.
Mehrere auf der Konferenz präsentierte Projekte an der Schnittstelle von Forschung, technischer Entwicklung und Verwaltungspraxis arbeiten aktuell an Verfahren zur automatisierten Auswertung und Strukturierung öffentlicher Diskurse. Ziel ist es, Argumente in Echtzeit zu analysieren, zu bündeln und zugänglich zu machen – etwa für Verwaltungsmitarbeitende oder politische Entscheidungsträger:innen. Damit könnten auch groß angelegte Diskussionen in der Zivilgesellschaft besser begleitet, verstanden und in politische Entscheidungsprozesse eingebracht werden.
Hier liegt ein großes Potenzial, um den Informationsfluss zwischen Bürger:innen und Entscheidungsträger:innen zu verbessern, zugleich stellen sich aber komplexe Fragen zu Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz solcher Systeme. Was passiert mit Emotionen und zwischenmenschlichen Interaktionen, wenn Diskussionen zunehmend automatisiert moderiert oder analysiert werden? Wie viel „Leitung“ durch KI ist gewünscht – und ab wann entsteht das Gefühl von Bevormundung statt Unterstützung?
Diskutiert wurde auch der Einsatz von digitalen Personas oder Avataren, die als Schnittstelle zwischen Bürger:innen und Verwaltung fungieren könnten. Diese könnten zentrale Positionen oder Argumente aus Beteiligungsprozessen visualisieren und so die Ergebnisse verständlicher und erlebbarer machen. Fraglich ist jedoch, ob solche virtuellen Repräsentanzen von Entscheidungsträger:innen als glaubwürdig und legitim wahrgenommen werden. Können digitale Avatare tatsächlich als Sprachrohr der Bevölkerung dienen – oder braucht es neue, hybride Formen der Repräsentation?
Diese offenen Fragen zeigen: Technologische Innovation allein reicht nicht aus – es braucht eine kontinuierliche gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Werten wie Partizipation, Transparenz und demokratischer Legitimation.

Dr. Nadja Wilker
Heinrich Heine Universität Düsseldorf
Dr. Nadja Wilker ist promovierte Politikwissenschaftlerin und erforscht die Perspektive von Entscheidungsträgern und Verwaltungsakteuren im Kontext digitaler Bürgerbeteiligung.
Sie hat Kommunikations- und Politikwissenschaft (B.A.) in Münster und Politische Kommunikation (M.A.) in Düsseldorf studiert. Während ihrer Promotion an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat sie die Rollen und Perspektiven kommunaler Mandatsträger im Kontext von E-Partizipation analysiert und mit einem interdisziplinären Team eine Übersicht digitaler Beteiligungsverfahren in NRW erstellt (www.monitor-online-partizipation.de). In den letzten Jahren konnte sie zudem als Referentin der Hochschulleitung Erfahrungen in der Praxis der Wissenschaftskommunikation sammeln und hat Transferformate für politische Entscheidungsträger entwickelt und organisiert.